Ostern (09.04.2023)

Der Glaube an Jesu Auferstehung genießt bei der Mehrheit derer, die sich Christen nennen, keine Relevanz. Ist das eine normale Weiterentwicklung unseres Glaubens hin zu einer zeitgemäßen, rein christlichen Moral oder ein Abfall vom Glauben?
 
Schauen wir in die Bibel: Ist Christus nicht auferstanden, ist unser Glaube leer und sinnlos, so Paulus im 1. Korinther-Brief 15. Gut, aber wie Auferstehung? In den vergangenen Jahrzehnten haben wir oft genug einen Bogen darum gemacht, die Frage, ob das Grab leer war, erschien in Schulzimmern und Hörsälen viel zu unanständig und wurde mehr und mehr vergeistigt, dahingehend, dass das ja nicht so wichtig sei, denn es ginge doch vielmehr um die Sache Jesu, seine allein befreiende Botschaft, hinein in ein erlöstes und gutes Leben. Die Jünger, so hört man da, hätten nach einem ersten Schock, einfach trotzig die Botschaft
Jesu nach seinem Tod weitergetragen.
 
Darin kommt letztlich ein Bemühen zum Vorschein, den Glauben zu retten, ihn irgendwie zeitgemäß zu machen. Der erste, der das so dachte, war der 1976 verstorbene Theologe Rudolf Bultmann. Er sagte, der christliche Glauben an die Auferstehung sei unvereinbar mit dem modernen Weltbild. Und er fügte seinerzeit noch hinzu, dass das ja nichts ändere an der christlichen Moral. Man suchte den Ausgleich mit dem, der nicht glauben kann und stößt nicht mehr an. Das Gefährliche daran ist, dass in diesem Wörtchen zeitgemäß sich verräterisch verbirgt, dass das eine rein subjektive und auch lokale Deutung sein kann. Denn hineingesprochen wurde dieser Satz, dass die Auferstehung Jesu völlig gleichgültig, dass seine befreiende Botschaft das Entscheidende sei, in eine Welt, die mit sich gut war. Hinein in einen Alltag, in dem wir – etwas überspitzt gesagt, sehr zufrieden mit uns sind. Eines Alltags, den wir hier auf diesem Fleckchen der Erde, auf dem wir so gut und so gern auf Kosten anderer in der Welt schön leben. Wir sind modern, aufgeklärt und gute Menschen, da sind wir uns einig. Wir genügen uns selbst und genießen ein – im Vergleich mit dem Rest der Welt – sehr lebenswertes Leben mit unerhörten Privilegien. Ausbrüche von Gewalt bei uns reden wir gerne weg, wenn fundamentalistische Mörder ein Blutbad anrichten, dann sind sie psychisch auffällig. Wenn ein mörderischer Krieg in unserer Nähe tobt, naja, das sind ja die Russen, aber wir?! Wir sind moralisch gut, leben gut und ordentlich, spenden großzügig, setzen auf Nachhaltigkeit, auf Selbstbestimmung pur, leben doch alles, was christlich ist, oder? Lass das Grab Grab sein. Wenn wir uns aber selber genug sind, warum fällt uns dann die Decke auf den Kopf? Fehlt uns bei allem „gut und selbstbestimmt-Sein“ vielleicht doch etwas, was ich mir nicht selber machen kann.
 
Zwei Punkte dazu. Kürzlich bin ich über einen Bericht gestolpert, der mich hat aufhorchen lassen. Die aktuelle Mode des NoFap. Junge Leute erzählen im Internet, dass sie der riesige Konsum von Pornos - 40% alles Internetkonsums bei uns ist pornographisch – dass das unfähig machte, mit richtigen lebendigen Menschen Liebe zu erleben, geschweige denn, Liebe im Bett mit realen Menschen machen zu können. Ziel ist, mindestens 90 Tage völlig enthaltsam zu sein, ohne Pornos, ohne Selbstbefriedigung. So verschroben mir diese Leute, die da stolz von ihrer Enthaltsamkeit erzählen schon wieder vorkommen, so setzen sie doch ein Fragezeichen hinter so manche Ersatzhandlungen in unserem Leben, und erst recht hinter die Parallelwelt des Internets. Genügen wir uns doch nicht selber, können wir uns doch nicht alles selber machen?!
 
Das andere aktuelle Beispiel. Eine deutsche Historikerin, Heike Görtemaker, hat ein Buch herausgegeben, Hitlers Hofstaat. Darin beschreibt sie mit erschreckender Genauigkeit, wie menschlich und zuvorkommend nett der Obernazi in seinem persönlichen Umfeld war, er war kein einsamer Mörder wie Stalin, der seine Freunde alle paar Jahre ermorden ließ und austauschte, er sprach mit seinem inneren Kreis beim täglichen Kuchenessen galant. Wir sind gewöhnt, seit Joachim Fest Hitler als stets brüllendes Monster zu sehen und ihn als Dämon von uns wegzuschieben, das sind nicht wir, das waren wir nie, das gibt es nicht mehr, das sind psychisch auffällige Einzelfälle, und reiben uns die Augen davor, wenn ein Krieg in unserer Nähe ausbricht?
 
Weihnachten hat eine Transformation zum Fest der Liebe hingelegt, Ostern aber ist zu sperrig. Ostern ist ein Durchbruch, oder es ist kein Ostern. Ostern ist ein Durchbruch, über uns hinaus, ein Eingestehen, dass ich mal raus muss aus diesem Alltag, dass ich mir nicht selbst genügen kann, dass ich mir nicht selbst alles machen kann, wenn ich den ganzen Tag nur nett und gut und aufgeschlossen bin und handle. Paulus würde diese selbstbefriedigende Moral als Mist bezeichnen, wie er es im Philipperbrief auch tat.
 
Ostern ist ein geschenkter Durchbruch. Ist das Bekenntnis, dass ich mehr bin als ein Haufen Materie, nämlich ein Mensch, der berührt werden kann, der erfahren kann, was ihm seine kühnste Phantasie nicht bieten kann, der in und durch Liebe so explodieren kann, dass er wirklich lebt, nicht nur eine selber gemachte Fassade seiner Hochanständigkeit und Bildung.
 
Im Evangelium haben wir diesen Schritt gehört. Johannes war dabei, er war der einzige, der unter dem Kreuz stand, er hat seinen Freund in den Tod begleitet, und nun steht er vor dem leeren Grab. Johannes wirft einen Blick in das leere Grab. "Er sah und glaubte". Hinter dieser so knappen Formulierung verbirgt sich eine Explosion im Herzen des Johannes.
 
Es ist nicht seine Hochanständigkeit, die ihn rettet. Er war auch am Gründonnerstag davongelaufen. Es ist die Erfahrung von etwas, das über ihn weit hinausreicht, die Erfahrung, dass Gott ist. Nur darum geht es erstmal, mehr nicht, dass Gott ist. Und dass Gott rettet, wie es der Namen Jesu übersetzt verspricht. Es geht um das Knacken meiner
Schale, meiner harten Schale, in der ich mir das Leben so gut und anständig und seriös zurechtlege. Und nicht merke, dass diese Schale auf die Dauer zu dick wird, dass weder ich rauskomme, noch ein anderer reinkommt. Es ist, was wir die Sünde nennen, das Absondern, die Gewalt der Einsamkeit. Bei Johannes explodiert diese Schale mit einem Schlag. Er sah und glaubte, wenn wir heute soweit kämen, das wäre viel.
 
Heute an Ostern steht das Licht im Mittelpunkt, das Osterlicht. Ich wünsche Ihnen, dass dieses Licht in Händen, Sie spüren, dass sich da was verändert hat, weil mein Leben bei einem anderen aufgehoben ist.
 
(Pfarrer C. Steger, Schlosskirche Bayreuth)

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